Ergebnisse der Käferfauna auf Ökokontofläche

Ergebnisse einer stichprobenartigen Erfassung der Käferfauna auf der Ökokontofläche „Zu Konelbruch/Güls“ der Stiftung Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz

von Jonas Köhler

Kartierung von Totholzkäfern durch Dr. Tamara Rischen (1. vl.), Sabine Gehrlein und Jonas Köhler auf der Ökokontofläche bei Koblenz-Güls.
Einleitung

Als Ökokonten bezeichnet man Fläche mit naturschutzfachlichen Aufwertungsmaßnahmen, die schon vor einem Eingriff in Natur und Landschaft entwickelt und als potentielle  Kompensationsfläche bereit gestellt werden können. Die 2006 gegründete Stiftung Kulturlandschaft Rheinland-Pfalz bietet landesweit Ökokontoflächen an, die Eingriffsverursachern gegen Kostenübernahme zur Verfügung gestellt werden können. Eines dieser Ökokonten befindet sich nahe des Koblenzer Stadtteils Güls, wo drei Teilflächen das Ökokonto „Zu Konelbruch“ bilden. Es handelt sich dabei um struktur- und totholzreiche Streuobstwiesen, von denen bisher nur wenige faunistische Daten zur Bodenfauna bekannt sind (Forschungsprojekt Ökokontofläche). Dieses Gebiet wurde im Auftrag der Stiftung am 25. Mai 2023 stichprobenartig auf seine Käferfauna, speziell jene an Totholz, untersucht, um einen ersten Einblick in den „Wert und die Wertentwicklung des Kontos“ zu erhalten.

In Deutschland kommen rund 6.700 Käferarten vor, davon etwa 5.000 in Rheinland-Pfalz (Bleich et al. 2023). Bei über 1.400 bzw. 1.000 dieser Käferarten handelt es sich um Totholzkäfer (Köhler 2014). Seltenheit und Gefährdung ihrer Lebensräume spiegeln sich in einem mit 46% überproportional hohen Anteil gefährdeter Totholzkäfer in den aktuellen Roten Liste Deutschlands wieder. Totholzkäfer stellen eine besonders bedeutsame Gruppe an Bioindikatoren dar, da sie in direkter Verbindung zum Habitat Holz in seiner vielfältigen Ausprägung von Baumarten, Zersetzungsstadien und Milieuzuständen stehen. Auf einer von Winter et al. (1999) entwickelten Punkteskala für Indikatorgruppen (bis 32 Punkte) in der Wald- und Totholzforschung nehmen die Coleoptera mit 32 Punkten die Spitzenstellung ein. Aus ihrer Gefährdung, der ausgesprochenen Spezialisierung auf diverse Mikrohabitate und der damit einhergehenden hohen Artenvielfalt, ergibt sich eine außerordentlich gute Eignung zur Zustandsbeschreibung von Gehölzökosystemen und zur Effizienzkontrolle von Naturschutzmaßnahmen.

Methodik

Bei mäßigem Wind und Temperaturen um 20 °C wurden Käfer mit zwei Untersuchungsmethoden zwischen 12 und 18 Uhr von Mitarbeiterinnen der Stiftung und dem Verfasser stichprobenartig erfasst. Bei den Aufsammlungen wurden zum einen mit einem Holzknüppel tote Äste, Pilze sowie Sträucher abgeklopft, wobei die herabgestürzten Käfer mit einem Exhaustor von einem großen Klopfschirm abgelesen wurden. Zudem wurde mit einem Streifkescher die Krautschicht der Streuobstwiesen abgekeschert.

Ergebnisse

Während der rund sechsstündigen manuellen Erfassung konnten 74 Käferarten festgestellt werden, darunter 21 Xylobionte. Drei Arten werden auf den aktuellen Roten Liste der gefährdeten Käfer Deutschlands geführt (u.a. Bense et al. 2021), weitere acht gelten im Rheinland nach Koch (1968) als selten.

Unter den Totholzkäfern fanden sich einige bemerkenswerte Nachweise, so beispielsweise der Kleine Heldbock Cerambyx scopolii, der Stolperkäfer Valgus hemipterus, der Zipfelkäfer Sphinginus lobatus sowie der Zottige Bienenwolf Trichodes alvearius, die alle für alte Streuobstwiesen typisch sind und zum Teil als relativ selten gelten oder im Bestand zurückgegangen sind. Die letztgenannte Art ist kein Totholzkäfer im eigentlichen Sinne, brütet allerdings in Apiden-Kolonien und profitiert dabei von den vielen toten Kirschstämmen, die nicht nur zahlreichen Käfern sondern vielen weitere Insekten einen wertvollen Lebensraum bieten.

Besonders bemerkenswert ist der Fund des im Rheinland extrem seltenen Nagekäfer Ptinomorphus regalis. Bei dem Fundort auf den Streuobstwiesen bei Koblenz-Güls handelt es sich um den aktuell nördlichsten in der Bundesrepublik. Nach 2000 wurde die Art außer in Rheinland-Pfalz nur in Hessen und Baden-Württemberg aufgefunden. Nur historisch belegt ist sie zudem aus Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt (Bleich et al. 2023). Ein ähnliches Verbreitungsgebiet weist der seltene Düsterkäfer Conopalpus brevicollis auf, der in Nord- und Ostdeutschland komplett fehlt (Bleich et al. 2023) und in einem Exemplar bei den Aufsammlungen festgestellt wurde. Im nördlichen Rheinland kommt die Art nur noch in Wärmetälern bis zum Rurstausee und Siebengebirge vor (Datenbank Köhler).

Abseits der Totholzkäfer fanden sich zudem neun Käferarten magerer Wiesen als Anzeiger von extensiv genutztem Grünland, darunter auch die seltenen Dolichosoma lineare, Phalacrus championi (nordwestlichster Fundpunkt in Deutschland auf der Ökokontofläche), Scymnus schmidti und Anaspis pulicaria.

Weitere erfasste Käferarten: 

Diskussion

Trotz des nicht optimalen Wetters nach zuvor relativ kühlem Frühling und der nur stichprobenartigen Erfassung konnte eine Vielzahl an Käfern festgestellt werden. Allerdings fiel der Anteil an Totholzkäfern und Rote Liste-Arten trotz vieler geeigneter Strukturen relativ gering aus. Womöglich wäre die Stichprobennahme an einem wärmeren und windstilleren Tag in den Folgewochen erfolgreicher verlaufen. Denn die zahlreichen toten, anbrüchigen und alten Kirschbäume lassen in Kombination mit der klimatisch begünstigten Lage eine deutlich artenreichere Fauna erwarten. Besonders bei den xylobionten Arten ist mit einer enormen Fülle seltener und gefährdeter Käfer zu rechnen, nicht zuletzt auch aufgrund der Vielzahl an hohlen Bäumen, die sich auf den strukturreichen Flächen finden. Gerade an diese Höhlenbäume ist eine Reihe seltenster Totholzkäfer (Mulmbewohner) gebunden, die üblicherweise nicht mit dem hier eingesetzten Kescher bzw. Klopfschirm nachgewiesen werden können.

Bereits jetzt nachgewiesene phytophage Arten lassen zudem erwarten, dass eine Reihe weiterer xero- und thermophiler Arten magerer Wiesen auf den Streuobstflächen zu erwarten sind. Diese profitieren sicherlich auch durch die extensive Schafbeweidung, die auf den Flächen stattfindet und eine Verbuschung verhindert.

Ausblick

Für eine möglichst vollständige Erfassung der Totholzkäferfauna ist eine Kombination von Fallentechniken und manuellen Aufsammlungsmethoden über eine komplette Vegetationsperiode elementar (Köhler 2000). Nur umfassendere Untersuchungen zur Käferfauna können die naturschutzfachliche Wertigkeit der Obstwiesen feststellen. Bislang wurde das Ökokonto bei Güls nur einmalig und stichprobenhaft untersucht, bei einer systematischen Käfererfassung könnten viele weitere bemerkenswerte Käfervorkommen dokumentiert werden. Insbesondere die anbrüchigen und alten Bäume auf der Ökokontofläche sind aus naturschutzfachlicher Sicht von Bedeutung. Aus diesem Grund plant die Stiftung zukünftig weitere wissenschaftliche Untersuchungen auf den Flächen, um die vorhandene Artenvielfalt vollständig erfassen zu können.

Literatur

Bense, U., Bussler, H., Möller, G. & Schmidl, J. (2021): Rote Liste und Gesamtartenliste der Bockkäfer (Coleoptera: Cerambycidae) Deutschlands. – In: Ries, M, Balzer, S., Gruttke, H., Haupt, H., Hofbauer, N., Ludwig, G. & Matzke-Hajek, G. (Red.): Rote Liste gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilze Deutschlands, Band 5: Wirbellose Tiere (Teil 3). – Naturschutz und Biologische Vielfalt (Münster) 70 (5): 269–290.

Bleich, O., Gürlich, S. & Köhler, F. (Hrsg.) (2023): Verzeichnis und Verbreitungsatlas der Käfer Deutschlands Online. – Online auf http://www.colkat.de/de/fhl, zuletzt abgerufen am 22.06.2023.

Koch, K. (1968): Käferfauna der Rheinprovinz. – Decheniana-Beihefte (Bonn) 13, I–VIII: 382 S.

Köhler, F. (1996): Käferfauna in Naturwaldzellen und Wirtschaftswald. Vergleichende Untersuch­ungen im Waldreservat Kermeter in der Nordeifel. – Schriftenreihe LÖBF/LAfAO NRW (Reckling­hausen) 6: 1–283.

Köhler, F. (1999): Die Totholzkäferfauna (Coleoptera) der Naturwaldreservate “Mörderhäufel” und “Stuttpferch” im Bienwald in der nördlichen Oberrheinebene. – Mainzer naturwissenschaftliches Archiv (Mainz) 37: 213–280.

Köhler, F. (2000): Totholzkäfer in Naturwaldzellen des nördlichen Rheinlands: vergleichende Studien zur Totholzkäferfauna Deutschlands und deutschen Naturwaldforschung. – Schriftenreihe LÖBF/LAfAO NRW (Recklinghausen): 351 S.

Köhler, F. (2014): Die klimabedingte Veränderung der Totholzkäferfauna (Coleoptera) des nördlichen Rheinlandes: Analysen zur Gesamtfauna und am Beispiel von Wiederholungsuntersuchungen in ausgewählten Naturwaldzellen. – Landesbetrieb Wald und Holz NRW (Münster): 198 S.

Köhler, F., Bense, U., Fritze, M.-A., Gürlich S., Köhler, J. & Schneider, A. (2019): Waldbindung der Käfer (Coleoptera) Deutschlands. In: Dorow, W. H. O., Blick, T., Pauls, S. U. & Schneider, A.: Waldbindung ausgewählter Tiergruppen Deutschlands. – BfN-Skripte (Bonn) 544: 115–216.

Winter, K., Bogenschütz, D., Dorda, D., Dorow, W. H. O., Flechtner, G., Graefe, U., Köhler, F., Menke, N., Schauermann, H., Schubert, H., Schulz, U. & Tauchert, J. (1999): Programm zur Untersuchung der Fauna in Naturwäldern. – IHW-Verlag (Eching): 61 S.

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